Eine KOMMI Geschichte für Dich :-)

Kommi und die Löwengeschichte

Wie immer, wenn Kommi gerade nichts Besseres zu tun hat, bezieht er seinen Aussichtsplatz am großen Fenster und beobachtet, was draußen so passiert. Er sieht Kinder vorbei laufen, mache von ihnen winken ihm lachend zu, manche wirken eher ein wenig traurig und neigen ihren Kopf nach unten. Die jüngeren Kinder laufen an der Hand ihrer Mutter oder ihres Vaters oder werden in großen Kästen vorn am Fahrrad von ihren Eltern durch die Welt gefahren. Das muss herrlich sein, denkt Kommi, so vorn am Fahrrad zu sitzen und von Papa oder Mama  durch die Straßen gefahren zu werden.
Als Kommi noch darüber nachdenkt, wie schön dies sein kann, fällt ihm ein Mann auf, der direkt  vis-à-vis von Kommis Ausschaufenster auf einer Bank sitzt. Der Mann trägt eine sehr weite Hose und darüber ein nicht weniger weites Hemd. Seine Schuhe sind vorn an der Spitze gebogen und erinnern an kleine Schneckenhäuser. Sein langer weißer Bart reicht ihm bis zur Brust und auf dem Kopf trägt er eine Kappe, die einem kleinen Schiffchen ähnlich sieht. Genüsslich zieht der Mann dann und wann an seine Pfeife und stößt dabei kleine Rauchwölkchen aus.
Auf der Bank hat inzwischen noch eine Mutter mit einem kleinen Kind Platz genommen und ein älterer Herr mit Regenschirm hat sich auch dazu gesellt.
Kommi ist neugierig geworden, er verlässt seinen Aussichtplatz, überquert die Straße und setzt sich zu der munteren Gesellschaft. Der Mann mit der Pfeife lächelt Kommi an und nickt freundlich mit dem Kopf. Er zieht nochmal an seiner Pfeife und beginnt zu erzählen……

„Es war einmal ein Löwe, der in einer Wüste lebte, die ständig vom Wind durchweht war.
Deshalb war das Wasser in den Wasserlöchern, aus denen er normalerweise trank, niemals ruhig und glatt; der Wind kräuselte die Oberfläche, und nichts spiegelte sich im Wasser.
Eines Tages wanderte der Löwe in einen Wald, wo er jagte und spielte, bis er sich ziemlich müde und durstig fühlte. Auf der Suche nach Wasser kam er zu einem Teich mit dem kühlsten, verlockendsten und angenehmsten Wasser, das man sich überhaupt vorstellen kann. Löwen können, wie andere wilde Tiere auch, Wasser riechen, und der Geruch dieses Wassers war für ihn wie Ambrosia.
Der Löwe näherte sich dem Teich und streckte seinen Schädel übers Wasser, um zu trinken. Plötzlich sah er jedoch sein eigenes Spiegelbild und dachte, es sei ein anderer Löwe. „Oh je“ , sagte er zu sich, „das Wasser gehört wohl einem anderen Löwen, ich sollte vorsichtig sein.“
Er zog sich zurück, aber der Durst trieb ihn wieder zum Wasser; und abermals sah er den Kopf eines furchterregenden Löwen, der ihn von der Wasseroberfläche her anstarrte.
Dieses Mal hoffte unser Löwe, er könne den „anderen Löwen“ verjagen und riss sein Maul auf, um furchterregend zu brüllen. Aber als er gerade seine Zähne fletschte, riss natürlich auch der andere Löwe sein Maul auf, und der gefährliche Anblick erschreckte unseren Löwen.
Und immer wieder zog sich der Löwe zurück und näherte sich dem Teich. Und immer wieder machte er dieselbe Erfahrung. Nachdem einige Zeit vergangen war, wurde er aber so durstig und verzweifelt, dass er zu sich selber sagte: „Löwe hin, Löwe her, ich werde jetzt von diesem Wasser trinken.“
Und wahrlich, sobald er sein Gesicht in das Wasser tauchte, war der „andere Löwe“ auch schon verschwunden.“

Als Kommi aus seinen Gedanken wieder zurückkehrte, sah er den Mann als kleinen Punkt an der nächsten Hausecke verschwinden…
(angelehnt an: Trenkle, Bernhard – Die Löwengeschichte. Heidelberg 1997)